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25 Jahre UNRAST Verlag (1989 bis 2014) – Fortsetzung folgt

An einem verregneten Frühlingstag im Jahre 1989 wurde die Idee geboren, dem rebellischen Milieu in der Bischofsmetropole Münster und darüber hinaus mit einem politisch radikalen Buchverlag zur Seite stehen zu wollen. Eine Frau und zwei Männer fassten schließlich den Entschluss, künftig kollektiv zu arbeiten und den Verlag UNRAST zu nennen, weil dieser Name genau dem Gefühl der revolutionären Ungeduld entsprach, die uns damals antrieb. Schnell wurde ein Verein mit politisch-kultureller Stoßrichtung gegründet, der UNRAST e.V., der bis heute Träger des Verlags ist, da wir als politisches Kollektiv die Bildung von Privatkapital als Produktionsmittel ablehnen. Mühselig hingegen waren die Formalia von Gewerbe- und Finanzamt bis Steuerrecht und Vertragsrecht usw. Wir kannten zwar die Marx’sche Werttheorie, hatten aber doch keinerlei kaufmännische Grundbildung.
Noch im selben Jahr erschien der erste »Antifaschistische Taschenkalender« für das Jahr 1990, der mit 8.000 verkauften Exemplaren sofort ein Riesenerfolg wurde. Damit war auch finanziell der Grundstein gelegt, auf dem die nachfolgenden 25 Jahre Verlagsgeschichte aufbauen konnten. Das erste richtige UNRAST-Buch erschien im Dezember 1989 und eröffnete zukunftsweisend sogleich eine erste Sachbuchreihe: die »Reihe Feministische Wissenschaft«.
Die nächsten Jahre arbeiteten wir eng mit dem Arbeitskreis Afrika in Münster (AKAFRIK) zusammen, mit dem wir uns auch das erste eigene Büro in einem alten Stadtwerkegebäude teilten. Mit dem AK Hintergründe Nahost erarbeiteten wir 1991 die Broschüre »Krisen, Konflikte, Kriege. Golf und Nahost. Hintergründe, Materialien, Analysen zum Krieg am Golf«, die dem Verlag große Aufmerksamkeit – erstmals auch in einer breiteren Öffentlichkeit – brachte.
Für eine der ersten öffentlichen Präsentationen des noch immer sehr überschaubaren Verlagsprogramms nutzten wir 1993 die 12. Mainzer Mini Pressen Messe, Internationale Buchmesse der Kleinverlage, um den Wirkungskreis unserer Bücher und Autor_innen aus dem explizit linken Spektrum herauszuführen. Dort trafen wir auf Gleichgesinnte, was dazu führte, dass im folgenden Jahr 1994 die Assoziation Linker Verlage (ALiVe) gegründet wurde. Eine der ersten gemeinsamen Aktionen war der große gemeinsame Buchstand auf der MMPM 1995, wo wir auch mit einer Veranstaltung zum Thema »Vertriebszusammenarbeit von Kleinverlagen« öffentlich auftraten.

Mitte der 90er Jahre wurde uns klar, dass eine verlegerische Professionalisierung her musste, wenn das Projekt auch zum Lebensunterhalt des Kollektivs dauerhaft beitragen sollte. Das Kollektiv wurde um einen Mann erweitert, drei der Kollektivisten waren Ende 1996 nach erfolgreichen Umschulungen schließlich IHK-geprüfte Verlagskaufleute. Die anfallende Arbeit wurde in Arbeitsbereiche mit Verantwortlichkeiten aufgeteilt, ein größeres Büro bezogen und neben den politischen Zielen wurden auch verstärkt kaufmännische gesetzt.
Wir traten ab 1994 gemeinsam mit den ALiVe-Verlagen jährlich im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse auf, schauten uns auf femdsprachigen Buchmärkten nach interessanten Büchern um und initiierten eine Reihe politischer Belletristik, deren erstes Werk 1997 die Übersetzung von Danny Morrisons Roman »West Belfast« wurde. Seit 1996 reisen Buchhandelsvertreter_innen mit unserem Programm durch den deutschsprachigen Buchhandel und 1997 gründeten wir mit den Verlagen Altantik, Alibri und Schmetterling aus dem ALiVe-Zusammenhang eine gleichnamige Gemeinschaftsauslieferung, die bis heute unsere Bücher professionell im Buchhandel vertreibt.

Ein weiterer nennenswerter Meilenstein in der Editionsgeschichte des UNRAST Verlags war die Initiierung der »reihe antifaschistischer texte« gemeinsam mit dem gleichnamigen Herausgeberkollektiv in Hamburg. Ebenfalls 1997 erschien darin mit »Stets zu Diensten – faschistische Wurzeln des BND« von Saskia Henze und Johann Knigge der erste Titel. Bis heute sind in dieser wichtigen Buchreihe mehr als 30 Titel erschienen.

Bis zur Jahrtausendwende hatten wir zwar programmatisch einen ungeheuren Spagat geschafft – von anarchistischen Klassikern und autonomen Szenediskussionen über Internationalismustitel bis zu Texten zur Geschlechterpädagogik und belletristischen Titeln – aber wirtschaftlich waren wir weit davon entfernt, unsere Arbeit angemessen entlohnen zu können.
Das führte nach 10 Jahren sich immer weiter intensivierender Selbstausbeutung und anstrengenden Diskussionen zwischen Vision und Realität 2000/2001 zum Ausstieg zweier Gründungsmitglieder aus dem Kollektiv, die sich beruflich anders orientieren wollten. Fortan betrieb ein Duo, das sich weiterhin als Kollektiv verstand, immer erfolgreicher das alltägliche Geschäft des Verlags.

Mit der Übernahme der Edition DISS und der Zeitschrift Krisis im Jahr 2004 war ein weiterer Schritt zur Programmerweiterung in Richtung wissenschaftlicher Titel und Periodika getan.

2010 kam es zum Bruch des Kollektivduos, was in einer verlegerischen Trennung endete und die Verlagslandschaft um die neugegründete »Edition Assemblage« bereicherte, die seit 2011 von dem ausgeschiedenen UNRAST-Mitarbeiter geführt wird.
Der UNRAST Verlag, der aufgrund des einjährigen heftigen Konflikts 2010 kurz vor seinem ›Aus‹ stand, konnte über den Trennungsprozess hinaus gerettet werden. Eines der 2001 ausgestiegenen Gründungsmitglieder mischte sich wieder ein und ein Azubi, der mittlerweile nach bestandener Prüfung als Medienkaufmann das Kollektiv bereichert, führen seit März 2011 gemeinsam mit dem verbliebenen Verleger zu dritt den Verlag.

Von dem ›Trennungs-Schock‹, der den Verlag 12 Monate lang nahezu lahmgelegt hatte, konnte sich der UNRAST Verlag allerdings in der neuen Besetzung recht zügig wieder erholen. Seitdem sind über 80 neue Bücher durch die Druckmaschinen gerollt, darunter so wegweisende und hochgelobte Titel wie »Die große Entwertung«, »Wie Rassismus aus Wörtern spricht«, »Darum Feminismus!«, »Mit Pfeil, Kreuz und Krone« oder »Der NSU-VS-Komplex«. Ebenso konnte in den letzten drei Jahren das Verlagsprogramm mit sehr namhaften internationalen Autor_innen wie Audre Lorde, Noam Chomsky oder Mumia Abu-Jamal bereichert werden. Und 7 lange Zeit vergriffene Titel konnten interessierten Leser_innen als E-Books wieder verfügbar gemacht werden.

Erwähnenswert ist noch der gelungene Relaunch der UNRAST-Homepage im Januar 2013. Die alte, mit der wir bereits 2001 als einer der ersten Kleinverlage online gegangen waren, hatte nun wirklich ausgedient!
Seit 2012 sind wir zudem mit zunehmender Begeisterung auf der jährlich im März stattfindenden Leipziger Buchmesse vertreten, wo wir im ALiVe-Zusammenhang und auf Veranstaltungen im Rahmen »Die Bühne« unsere Neuerscheinungen präsentieren.

Wir freuen uns auf die nächsten 25 Jahre!


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